Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Doch aktuell steht er unter Druck: Fachkräftemangel, Digitalisierung und sich wandelnde Erwartungen der Mitarbeitenden stellen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor neue Herausforderungen. Wer in dieser Situation Überblick behalten und zugleich gezielt wachsen will, braucht ein gutes Zielsystem. Zwei Begriffe fallen dabei immer wieder: Key Performance Indicators (KPIs) und Objectives and Key Results (OKRs). Beide versprechen Struktur, Orientierung und Steuerbarkeit. Doch was genau steckt dahinter? Und vor allem: Wann ist welches Instrument sinnvoll? Dieser Artikel beleuchtet, wie mittelständische Unternehmen KPIs und OKRs wirksam einsetzen können – nicht als Entweder-oder, sondern als sich ergänzende Werkzeuge.
Key Performance Indicators (KPIs): Kontrolle im Hier und Jetzt
Key Performance Indicators, kurz KPIs, sind Leistungskennzahlen, mit denen sich der aktuelle Zustand eines Unternehmens abbilden lässt. Sie messen beispielsweise Umsatzwachstum, Fluktuation oder Kundenzufriedenheit. Vor allem in stabilen, prozessorientierten Umgebungen haben KPIs ihre Stärke: Sie machen Leistung sichtbar, erlauben den Vergleich mit Vorperioden oder Benchmarks und unterstützen das operative Controlling. Wer etwa wissen will, wie effizient ein Vertriebsprozess läuft oder ob die Retourenquote in der Logistik zu hoch ist, findet in KPIs das passende Instrument.
Ein klassisches Beispiel für einen Key Performance Indicator im Mittelstand: Mitarbeiterfluktuation pro Jahr – diese Kennzahl zeigt, wie stabil das Unternehmen als Arbeitgeber wahrgenommen wird und ob es gelingt, Mitarbeitende langfristig zu binden.
Gerade für etablierte KMU mit überschaubarer Größe, klaren Verantwortlichkeiten und planbarem Tagesgeschäft bieten KPIs eine solide Grundlage für Entscheidungen. Sie zeigen, was ist. Aber sie zeigen nicht, was sein könnte.
Objectives and Key Results (OKRs): Orientierung in der Veränderung
Objectives and Key Results, kurz OKRs, gehen einen Schritt weiter. Sie setzen nicht nur Ziele, sondern beschreiben auch, wie deren Erreichung gemessen werden kann. Anders als KPIs sind OKRs nicht statisch, sondern dynamisch. Sie regen dazu an, ambitionierte, teils sogar mutige Vorhaben zu formulieren und diese in konkrete Resultate zu übersetzen.
Ein Objective ist dabei immer qualitativ – also ein beschreibendes Zielbild. Die dazu gehörigen Key Results sind quantitativ: Sie machen messbar, woran Fortschritt erkannt wird. OKRs werden meist auf Quartalsbasis formuliert und regelmäßig reflektiert.
Ein typisches Beispiel aus dem KMU-Kontext:
- Objective: „Wir stärken unsere Arbeitgebermarke für junge Talente.“
- Key Results: „Steigerung der Bewerbungen von unter 30-Jährigen um 30 %“, „Launch eines Karriereteils auf der Website bis Ende Q2“, „Teilnahme an drei Hochschul-Karrieremessen im Jahr“.
Für KMU, die sich gerade in einer Veränderungsphase befinden, sind OKRs besonders wertvoll: etwa beim Aufbau neuer Geschäftsmodelle, der Digitalisierung von Prozessen oder der Entwicklung einer neuen Unternehmenskultur. OKRs helfen, den Blick nach vorn zu richten und Teams in unsicheren Zeiten zu fokussieren.
Wann passt welches System? Der Reifegrad entscheidet.
Ob KPIs oder OKRs besser passen, hängt stark vom Entwicklungsstand des Unternehmens ab. Entscheidend ist nicht allein die Mitarbeiterzahl, sondern der Reifegrad der Organisation.
- In KMU mit reifen Prozessen, klaren Zielsystemen und stabilem Geschäfts-betrieb liefern KPIs wertvolle Steuerungsimpulse.
- In KMU mit Transformationsbedarf, Innovationsdruck oder kulturellem Wandel bieten OKRs die nötige Beweglichkeit und Klarheit.
Beide Systeme können auch kombiniert werden: KPIs zur Leistungsüberwachung, OKRs für die strategische Weiterentwicklung.
Typische Fehler im Umgang mit Zielsystemen
Viele KMU zögern, OKRs einzuführen, weil sie sie für einen „Startup-Hype“ halten. Andere setzen nur auf KPIs und wundern sich, warum Innovationen stocken. Dabei geht es gar nicht um ein Entweder-oder. Häufige Denkfehler sind:
- „Wir haben KPIs, das reicht.“
- „OKRs sind zu komplex für uns.“
- „Ziele müssen immer erreichbar sein.“
Gerade OKRs entfalten ihren Wert dann, wenn Ziele bewusst ambitioniert formuliert werden – und das Team lernt, wie es sich diesem Ziel nähert. Es geht nicht um Perfektion, sondern um Lernfortschritt.
Wie gelingt der Einstieg in OKRs?
Für viele Mittelständler lohnt sich ein pragmatischer Einstieg:
- Ein Bereich oder ein Projekt als Pilot
- 1-2 qualitative Objectives pro Quartal
- Je 3-4 Key Results, die klar messbar sind
- Monatliche oder quartalsweise Reviews
Wichtig ist: OKRs brauchen Offenheit, Feedback und Zeit. Sie entfalten ihre Kraft dort, wo Teams sich selbst ernst nehmen und Verantwortung für das „Wohin“ übernehmen.
Fazit: Ziele brauchen Kontext
Der Mittelstand muss heute zweierlei zugleich leisten: Stabilität sichern und Zukunft gestalten. KPIs helfen beim ersten, OKRs beim zweiten. Beide Systeme haben ihre Berechtigung. Entscheidend ist, sie kontextbezogen und bewusst einzusetzen.
Ob ein Unternehmen reif für OKRs ist, zeigt sich nicht an der Bilanzsumme, sondern an der Haltung: Ist das Management bereit, Richtung zu geben und loszulassen? Sind Teams fähig und willens, sich ambitionierte Ziele zu setzen?
Wer das mit Ja beantworten kann, sollte den Schritt wagen. Denn Klarheit, Fokussierung und Mut zur Bewegung sind genau das, was der Mittelstand jetzt braucht.
Lassen Sie uns gemeinsam hinschauen: Wie viel KPI, wie viel OKR braucht Ihr Unternehmen jetzt?